Bargfeld in dänischer Zeit
Can Özren
Als Adolf VIII. von Holstein, der letzte Vertreter der Schauenburger Linie, am 4. Dezember 1459 in Segeberg starb, wurde der aus dem Hause Oldenburg stammende König Christian I. von Dänemark nach einigen Schwierigkeiten am 2. März 1460 von den Vertretern der Stände zum neuen Landesherrn gewählt.
Das Herzogtum Schleswig regierte er bereits, das schauenburgische Herrschaftsgebiet Holstein erhielt er nun vom Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation als Lehen zu seiner Herrschaft hinzu, womit die dänische Macht bis an die Elbe reichte. Holstein wurde bald darauf zusammen mit der Grafschaft Stormarn zu einem Herzogtum Holstein vereinigt. Die Herzogtümer sollten von nun an bis zum Jahre 1864 mit dem Haus Oldenburg und damit mit dem Königreich Dänemark verbunden bleiben - mehr als 400 Jahre; die "Gottorfer Frage" - die anhaltenden Streitigkeiten zwischen der königlichen und der herzöglichen Linie des Hauses Oldenburg über die Herrschaft in einzelnen Landesteilen - wird hier nicht näher behandelt, weil sie für den Gesamtzusammenhang von untergeordneter Bedeu-tung ist.
Die Personalunion zwischen Dänemark einerseits und Schleswig und Holstein andererseits wurde 1460 im "Ripener Vertrag" - benannt nach der Stadt Ripen, in der er geschlossen wurde - festgehalten. Der wichtigste Passus dieses in niederdeutscher Sprache geschriebenen Vertrages aber war: "Up ewig ungedeelt", eine Formel, die immer wieder zum Grund für Konflikte mit der dänischen Krone wurde und letztendlich zum Hilferuf der Schleswig-Holsteiner an den Deutschen Bund führte, der gleich zweimal im Verlauf des 19. Jahrhunderts in die Verhältnisse eingriff, und 1864 endgültig die Abtrennung der Herzogtümer vom Königreich Dänemark herbeiführte.
Interessant ist, daß das Herzogtum Holstein bis zum "Reichsdeputationshauptschluß" im Jahre 1803 ein Lehen des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation blieb und nur mit dem Königreich Dänemark in Personalunion verbunden war. Nach dem Wiener Kongreß von 1815 gehörte Holstein zum neuentstandenen Deutschen Bund, der König von Dänemark war somit Mitglied im Deutschen Bund.
Zu Beginn der dänischen Herrschaft gehörte Bargfeld zu den Gütern derer von Hummersbuttel. Der Raubritter Johann von Hummersbuttel nahm das Dorf in den 40er Jahren des 14. Jahrhunderts in seinen Besitz. Allerdings nicht vollständig, denn das Hamburger Domkapitel hatte weiterhin das Anrecht auf die Zehnten einzelner Bauernhöfe. Nach dem Aussterben dieser Familie ging ihr Besitz in die Hände der Familie von Bockwolde, später "von Buchwaldt" genannt, über. Der Übergang vollzog sich wohl in direkter Linie, da eine Geborene von Hummersbuttel mit einem von Bockwolde verheiratet war. Dieser Besitzerwechsel fand etwa 1470 statt. Die Buchwaldts waren zu der Zeit die Herren über die Güter Jersbek, Stegen und Borstel sowie weiterer Güter in Holstein. Im Jahre 1587 starb Jasper von Buchwaldt. Seine vier Söhne konnten sich über das Erbe nicht einigen, so daß es auf sie verteilt werden mußte. Hans von Buchwaldt erhielt gemäß dem Borsteler Erbteilungsvertrag vom 6. 12. 1588 das Gut Jersbek, zu dem das Dorf Bargfeld gehörte. Dieses ist der eigentliche Gründungszeitpunkt des Gutes Jersbek. Der neue Herr von Jersbek erhielt aber das Recht, in der Sülfelder Kirche einen Patronatsstuhl aufzustellen, der sein Mitspracherecht symbolisieren sollte.
Über die Verhältnisse in Bargfeld in dieser Zeit ist nicht viel bekannt. Im Mittelalter führte die Straße von Segeberg nach Hamburg durch das Dorf. Aus dem 16. Jahrhundert sind Nachrichten erhalten, welche besagen, daß die meisten Bewohner der Gutsbezirke in Holstein Leibeigene der adeligen Herren waren; auch für Borstel ist eine solche Nachricht überliefert, so daß in dem derselben Familie gehörigen Gut Jersbek ähnliche Verhältnisse angenommen werden können. Ob alle Bauern Leibeigene waren, oder nur ein Teil, bzw. wie sich das mit den Rechten des Domkapitels zu Hamburg verhalten hat, ist nicht ganz klar. Es erscheint aber sinnvoll, von der Leibeigenschaft der Bargfelder Bauern auszugehen.
Nach dem Aussterben der männlichen Vertreter der Jersbeker Linie aus dem Hause von Buchwaldt ging das Gut durch Heirat einer Geborenen von Buchwaldt in den Besitz der Familie von Ahlefeldt über. Unter Bendix von Ahlefeldt (1679 - 1757) wurde Jersbek zu einem Zentrum der Kultur und des barocken Geistes. Für die Umbauarbeiten am Jersbeker Herrenhaus beauftragte er den durch sein Wohlwollen ausgebildeten Bargfelder Baumeister Jasper Carstens, der ca. 1705 in Bargfeld geboren wurde. Mit seinem ausschweifenden Lebensstil brachte Bendix von Ahlefeldt das Gut allerdings an den Rand des Bankrotts. Nachdem die weiblichen Nachkommen aus der Familie das Gut nicht mehr halten konnten, kaufte es der pommersche Jurist Paschen von Cossel (1714 - 1805). Dieser vom Geist der Aufklärung des 18. Jahrhunderts beseelte Mann hat in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts die Leibeigenschaft auf seinem Gute abgeschafft. Er legte damit den Grundstein für die Entwicklung eines freien Bauernstandes durch das System der Erbpacht. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Erbuntertänigkeit bzw. Leibeigen-schaft in Preußen im Jahre 1810 und in Rußland erst 1861 durch einen Eingriff des Staates abgeschafft wurde.
Im Verlauf des 18. Jahrhunderts kam es zu Differenzen zwischen den deutschen und den dänischen Bewohnern des Königreiches. National eingestellte Dänen stellten sich dem zunehmenden Einfluß der deutschen Adeligen und der Sonderstellung der Herzogtümer entgegen, zugunsten ihrer Eingliederung in den dänischen Gesamtstaat. Dagegen trat das zu Beginn des 19. Jahrhunderts auftretende Nationalbewußtsein der deutschen Bevölkerung, die weitest-gehende Selbständigkeit bzw. Hinwendung zu Deutschland suchte. Nachdem sich die konservativen dänischen Kreise durchsetzen konnten, wurden Verordnungen erlassen, die z. B. den Gebrauch der deutschen Sprache im Herzogtum Schleswig verboten und die Benutzung der dänischen Sprache vorschrieben. Das Herzogtum Holstein besaß weiterhin seine Sonderstellung und war von diesen Maßnahmen weniger betroffen.
Den "Reichsdeputationshauptschluß" von 1803 nahm die dänische Krone, die sich sehr absolutistisch entwickelt hatte, als Gelegenheit wahr, die Herzogtümer dem Königreich als unzertrennlichen Teil des Reiches einzuverleiben. Auf das alte Reichslehen Holstein brauchte keine Rücksicht mehr genommen zu werden, da der Kaiser auf seine Rechte verzichtet hatte und die deutschen Mächte durch die Siege und die anschließende Besatzung der Franzosen gar nicht in der Lage waren, gegen Dänemark vorzugehen. Allerdings konnte der Herzog von Augustenburg gerade noch verhindern, daß die Herzogtümer als Provinzen eigerichtet wurden; durch sein Einwirken behielten sie ihren Sonderstatus. Die dänische Regierung erließ in dieser Zeit Verordnungen über den alleinigen Gebrauch der dänischen Sprache in Kirche, Schule und Gericht; Maßnahmen, die zunächst auf Schleswig beschränkt blieben. Der dänische Staat verfolgte hier eine rücksichtslose Dänisierungs-Politik. Dennoch standen die Schleswig-Holsteiner in der Zeit Napoleons, mit dem sich Dänemark verbündet hatte, treu zur Krone, obwohl die von Napoleon verhängte "Kontinentalsperre" zum wirtschaftlichen Niedergang und Verlust des Wohlstandes in ganz Dänemark führte.
König Friedrich VI. von Dänemark hielt auch nach der "Völkerschlacht von Leipzig" an dem Bündnis mit Frankreich fest, so daß 1813 eine Armee der verbündeten Staaten Preußen, Schweden und Rußland in den Herzogtümern einfiel. Dieser Invasion verdankt der Winter 1813/14 den Namen "Kosakenwinter", weil die Kosaken im Lande wüteten und die Bevölkerung unter ihnen zu leiden hatte. Die fremden Truppen blieben bis zum Frühjahr 1815, als Preußen und Rußland endgültig Frieden geschlossen haben, im Land stationiert.
Nach den napoleonischen Kriegen stieg allerdings die Mißstimung gegen Dänemark, so daß einzelne deutsch-stämmige Kreise in den Herzogtümern an eine Separation von Dänemark dachten. 1815 wurde Holstein als ehemaliger Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation Mitglied im Deutschen Bund, blieb aber in Personalunion mit dem Königreich Dänemark verbunden.
Die dänische Regierung erließ weiterhin Verordnungen über die alleinige Ausübung der dänischen Sprache in den Gebieten, in denen Dänen lebten, also auch in Schleswig, nicht aber in Holstein. In dieser Zeit der Unzufriedenheit kamen die ersten Forderungen in den Herzogtümern nach Vereinigung mit Deutschland und Loslösung von Dänemark auf. 1844 wurde zum ersten Male das Lied "Schleswig-Holstein, meerumschlungen" unter dem Jubel der Zuhörer gesungen. Es trafen also deutsch-nationale Bewegungen auf dänisch-nationale. Die Maßnahmen des Königs riefen allgemeine Empörung hervor. Auf Versammlungen der Deutschen wurde die Forderung nach einem selbständigen Staat, bestehend aus Schleswig und Holstein, wach. Die dänische Regierung versuchte 1848 unter dem neuen König, Friedrich VII., die nationale Bewegung durch eine liberale Verfassung aufzufangen, aber die revolutionären Vorgänge in Europa 1848 machten dieses Bemühen um eine friedliche Einigung zunichte. Auch in Dänemark fand eine Revolution statt, die die Macht des Königs brach. War dieser noch zum Einlenken bereit, forderten die Revolutionäre die Einverleibung Schleswigs und besetzten die entsprechenden Ministerien mit Dänen. Für die deutsche Bevölkerung gab es keine Hoffnung mehr, daß ihre Forderungen Gehör fanden. Sie rüsteten zum Krieg. Aber die schlecht ausgebildete Armee wurde von den Dänen zurückgedrängt. Die Frankfurter Nationalversammlung erkannte den Ernst der Lage und schickte "Bundestruppen" unter der Führung Preußens. Diese mußten sich aber nach Erfolgen aufgrund des Protestes der europäischen Mächte - England und Rußland- zweimal unverrichteter Dinge zurückziehen. Die Schleswig-Holsteiner wollten dennoch weiterkämpfen und wurden 1852 endgültig vernichtend von den Dänen geschlagen. Die dänische Herrschaft über die Herzogtümer wurde wieder aufgerichtet, die Zügel aber straffer angezogen. Da sich der Nationalismus in dieser Zeit nicht zurückentwickelte, im Gegenteil, bei einigen Dänen steigerte er sich zum "Skandinavismus", war ein erneutes Aufbegehren der deutschen Bevölkerung in den Herzogtümern vorprogrammiert.
Als die Gesamtstaatverfassung des Königreiches Dänemark auch für Schleswig gültig wurde, die das Herzogtum endgültig mit dem Königreich Dänemark vereinigte, protestierten Preußen und Österreich. Der Konflikt spitzte sich zu. Als der dänische König 1863 verstarb, machte der Herzog von Augustenburg seinen Erbanspruch auf die Herzogtümer geltend. In Deutschland war die Begeisterung für diese Entwicklung groß, so daß der Deutsche Bund bei der deutschen Organisation der Herzogtümer personelle und materielle Hilfe leistete. Zur Abschreckung vor gewaltsamer Konfliktlösung ließ der Deutsche Bund Bundestruppen in Holstein und Lauenburg einrücken. Preußen und Österreich stellten Dänemark ein Ultimatum, nachdem das dänische Grundgesetz in Schleswig aufgehoben werden sollte, um die Ein-verleibung des Herzogtums in den dänischen Staat rückgängig zu machen. Der dänische König war zu so einem Schritt nicht bereit und verließ sich darauf, daß die anderen europäischen Mächte ihn unterstützen würden. In dieser Hoffnung wurde er aber getäuscht, als die preußisch-österreichischen Truppen am 1.2.1864 ohne formelle Kriegserklärung die Eider überschritten. Dänemark wurde rasch besiegt. Bereits im Juni desselben Jahres wurde ein Friedensvertrag unterzeichnet, in dem Dänemark auf die Herzogtümer verzichtete.
So endeten über 400 Jahre dänischer Herrschaft in Schleswig-Holstein. Nach dem Sieg der Preußen und Österreicher hatten die Schleswig-Holsteiner die Idee von einem selbständigen Staat, vom Herzog von Augustenburg geführt. Aber noch standen die Sieger im Land, und die Zukunft war angesichts deren Zerstrittenheit sowie ihres eigenen Großmachtdenkens ungewiß.