Ulrich Bärwald
Im neuen Wappen der Gemeinde Bargfeld-Stegen ist im Wappenfluß ein maritimes Symbol enthalten, "ein mit drei stehenden goldenen Fässern beladener goldener Frachtkahn". Was verbindet die im ehemaligen sächsischen Gau Stormarn und im heutigen Landkreis Stormarn gelegene Gemeinde Bargfeld-Stegen eigentlich mit der Schiffahrt ?
Dieses Wappenmotiv erinnert an die Zeit, als durch das Gebiet der heutigen Gemeinde Bargfeld-Stegen der Alster-Trave-Kanal, ein wassergebundener Handelsweg, den direkten Warenverkehr zwischen Nord- und Ostsee ermöglichte. Dieser Kanal bildete im ausgehenden Mittelalter einen direkten, wassergebundenen Handelsweg zwischen den beiden Hansestädten Hamburg und Lübeck. Statt der langen, gefahrvollen und oft verlustreichen Umschiffung des Skagerraks in Nord-Jütland oder der Nutzung des abgelegenen Stecknitz-Kanals auf lauenburgischem Hoheitsgebiet, erreichten nun die Lastschuten bestenfalls schon in 3 Tagen ihr direktes Ziel, eine der beiden größten Hansestädte. Wie kam es zu dem Bau dieser künstlichen Wasserstraße ? In den Jahren 1391 - 98 wird von Lübeck der Stecknitz-Kanal erbaut, der indirekt Nord- und Ostsee verbindet. Der Wasserweg führt von Lübeck die Trave aufwärts bis zur Stecknitz; diese ist durch einen Kanal mit der Delvenau verbunden, die wiederum in die Elbe mündet. Für Hamburg selbst ist diese künstliche Wasserstraße auf lauenburgischem Hoheitsgebiet noch zu weit entfernt, um aus ihr direkten wirtschaftlichen Nutzen ziehen zu können. Hamburg sucht also weiter nach Möglichkeiten für einen kurzen, direkten und wasser-gebundenen Handelsweg zur benachbarten Ostsee-handelsstadt Lübeck, der Krone des Hansebundes. Dieses insbesondere, weil das von Fuhrwerken zu durchquerende Gebiet Stormarns im Süden wegen seines sandigen Bodens und im Norden wegen seiner welligen Geländebildungen dem Wagenverkehr große Schwierigkeiten bereitet und nicht zuletzt auch wegen der auf dem Landwege zahlreichen Beeinträchtigungen des Handelsverkehrs durch Raubritter und Wegelagerer. Mit ein wenig Phantasie bietet sich für eine entsprechende direkte Wasserverbindung von Hamburg aus zunächst die Alster an. In den Jahren um 1300 hat Hamburg größtenteils die Eigentumsrechte am Alsterfluß von den Schauenburger Grafen erworben. 1448 schließt Hamburg dann mit dem letzten Schauenburger, Adolf VIII., Graf von Holstein-Stormarn und Herzog von Schleswig, einen Vertrag zum Bau einer Wasserstraße nach Lübeck. Die gesamten Baukosten sind nach dem Vertrag je zur Hälfte von beiden Vertragspartnern zu tragen, dafür sollen die Einnahmen aus dem Kanal ebenfalls geteilt werden. Die erhöhten Zinsen des Herzogs von Sachsen-Lauenburg für die Benutzung des Stecknitz-Kanals tragen nun das neue Kanalprojekt voran. Lübeck tritt diesem Vertrag erst später bei. Der eigentliche Kanal mit 8 km Länge ist von Stegen - hier fließt die Alster vorbei in Richtung Hamburg - durch das Nienwohlder und das Sülfelder Moor bis in die Dorfschaft Sülfeld geplant.
Das Kanalprojekt wird ständig von technischen Schwierigkeiten begleitet. Insgesamt müssen etwa 23 Schleusen gebaut werden. Nach den lang-wierigen und schwierigen Bauarbeiten für diese künstliche Wasserstraße erreichen 1529 die ersten Schuten mit Waren beladen von Lübeck aus auf dem neuen, insgesamt 91 km langen Alster-Trave-Kanal - auch durch das Gebiet des Gutes Stegen - Hamburg. Der Kanal setzt sich zusammen aus 40 km Alsterfluß von Hamburg bis Stegen, von da 8 km künstlich gegrabenes Kanalbett bis Sülfeld, dann rund 15 km auf der Beste nach Oldesloe und von hier 28 km auf der Trave nach Lübeck. Benutzt werden Lastschuten mit einer Länge von ca. 15 - 24 m und einer Breite von ca. 4,50 m, sie werden vom Ufer stromaufwärts getreidelt. Doch nach wenigen Jahren schon ist der Stolz auf diesen Kanal dahin: 1550 ist die Schleuse zu Neritz (Neertze) nicht mehr betriebsfähig und wird auch nicht wieder instand gesetzt.
Die Kanalverbindung Hamburg-Lübeck ist endgültig unterbrochen. Bis 1557 fahren Hamburger Schiffe mit Waren für Lübeck noch bis Stegen, von dort geht es auf Pferdefuhrwerken weiter, wohl bis Oldesloe, von hier ist die Trave seit altersher schiffbar. Neben den doch erheb-lichen technischen Schwierigkeiten, gerade im Bereich der Nienwohlder und Sülfelder Moore, hat es insbesondere auch immer wieder Schwierigkeiten mit den holsteinischen Adeligen gegeben, deren Güter im Bereich des Kanals liegen. Diese Ländereien waren zeitweise wegen der durch den Kanal verursachten Wasseraufstauungen erheblich in Mitleidenschaft gezogen, wenn die Stauschleusen nicht rechtzeitig geöffnet worden waren. Jasper von Buchwaldt auf Borstel hat zeitweilig deswegen durch Anlegen von Sperrdämmen versucht, die Schiffahrt auf dem Kanal lahmzulegen. Als ihm dies nicht gelang, hat er Baumstämme quer über den rund 15 m breiten und gerade 2 m tiefen Kanal legen lassen und durch Bewaffnete verhindert, daß die Schiffe sie entfernen konnten. So lagen die Lastschuten zeitweise monatelang fest, was den Warenverkehr zwischen Hamburg und Lübeck doch erheblich beeinträchtigte. Auch klagte Herzog Magnus II. von Sachsen-Lauenburg beim Reichskammergericht in Speyer - allerdings erfolglos - gegen diesen neuen Alster-Trave-Kanal, weil ihm dadurch Zölle für seinen auf Lauenburger Gebiet verlaufenden Stecknitz-Kanal verlustig gingen. Es steht zu vermuten, daß sich eine kostendeckende Rentabilität für den Kanal insgesamt nicht ergeben hat, sonst hätte wohl zumindest Hamburg die Mittel aufgebracht, diesen Kanal weiterhin betriebsfähig zu halten, auch wenn Lübeck mit seinen Zahlungen für den Kanalbau stark in Verzug geraten war. In den folgenden Jahrhunderten kommt immer wieder der Gedanke auf, aus wirtschaftlichen Gründen eine direkte, wassergebundene Handelsverbindung zwischen den beiden Hansestädten Hamburg und Lübeck zu errichten. Transportgüter waren dabei nach wie vor in erster Linie Oldesloer Salinensalz, Segeberger Kalk und der Torf unserer Moore als Handelsmaterial. 1770 will man Kiel, Lübeck und Hamburg über Schwentine, Trave und Alster miteinander verbinden. In der napoleonischen Epoche um 1810 plant sogar Kaiser Napoleon I. eine Kanalverbindung unter Einbeziehung dieser Alster-Trave-Kanal-Trasse vom Rhein zur Weser, von dort zur Elbe und weiter zur Trave und Ostsee. Dazu kommt es allerdings aus politischen Gründen aber nicht. Insgesamt verstummen die Gedanken an eine künstliche Wasserstraße in diesem Bereich aber, als Oldesloe 1865 Eilzugstation wird. Noch ein letztes Mal wird der Bau eines direkten Kanals von Hamburg nach Lübeck 1873 erwogen. Hamburg läßt ein diesbezügliches "Gutachten und Kostenanschlag über den projectirten Alster-Trave-Kanal zwischen Teufels-brück und Lübeck" erstellen. Bei diesem Gutachten ist es geblieben, bald darauf ist der Kaiser-Wilhelm-Kanal im Bau. Trotz des offensichtlichen Mißlingens dieses Alster-Trave-Kanal-Projektes über die Jahrhunderte bleibt dieser Kanal ein historisches Denkmal des Wagemuts der hanseatischen Kaufleute und des Unternehmungs-geistes im beginnenden 16ten Jahrhundert.